CoronaJunge vulnerable Risikopatienten in Gefahr
30.04.2020:
In Kooperation mit dem Bundesverband Herzkranke Kinder e.V. haben wir am 24.04.2020 mit einem Schreiben an die Politik abermals auf die besondere Situation chronisch kranker Kinder und deren Familien aufmerksam gemacht:
Sehr geehrte Frau Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Giffey,
sehr geehrte Frau Bundesministerin für Bildung und Forschung Karlizcek,
sehr geehrter Herr Bundesheitsminister für Gesundheit Spahn,
sehr geehrter Herr Bundesminister für Arbeit und Soziales Heil,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kultusministerkonferenz,
wir möchten uns zunächst bei Ihnen bedanken für das schnelle Handeln und Ihre stetigen Bemühungen, die o.g. Risikogruppen in dieser schwierigen Zeit zu schützen.
Als Vertreterinnen und Vertreter einiger nachweislich besonders gefährdeter Patientengruppen und ihrer Familien sind wir – insbesondere angesichts der ersten Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19/ SARS-CoV-2 – hochgradig besorgt und alarmiert: Bislang fehlt es an dringend notwendigen Regelungen zum Schutz von Familien mit chronisch erkrankten Kindern vor dem Corona-Virus.
In Deutschland befinden sich rund 11 Prozent aller Mädchen und 16 Prozent aller Jungen unter 17 Jahre mit einer chronischen Erkrankung in ärztlicher Behandlung (vgl. KiGGS-Studie 2017 des RKI). Dazu zählen neben Kindern und Jugendlichen mit Herzerkrankungen u.a. neurologische, onkologische Erkrankungen, Transplantationen, Mehrfachbehinderungen mit Schluck- und Atemstörungen, tuberöse Sklerose, Morbus Crohn oder Patientinnen und Patienten, die eine immunsuppressive Therapie erhalten. Die Vorerkrankungen der Kinder gehen in vielen Fällen mit einem hohen Infektionsrisiko für Covid-19 einher. Wir vertreten diese betroffenen Familien, die daher zurzeit einer extremen Belastung ausgesetzt sind.
Das führt zu einer enormen Verunsicherung und einem stark gestiegenen Beratungsbedarf. Viele Familien sind ratlos, wie sie sich und andere wirksam schützen und die herausfordernde Situation meistern können. Wir bitten Sie daher dringend, folgende Maßnahmen zu berücksichtigen und in Zusammenarbeit mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in den zuständigen Länderministerien umzusetzen:
1. Für chronisch kranke Kinder, z.B. herzkranke Kinder aus dem Bereich der Risikogruppe, vor allem diese nach der Definition der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK). sollten bis auf weiteres weiterhin zuhause beschult werden, und zwar bei Bedarf inkl. ihrer Geschwister. So wird das Risiko minimiert, sich mit Covid-19 zu infizieren bzw. es unerkannt weiterzuverbreiten.
2. Eltern chronisch kranker Kinder sollten von der Arbeit freigestellt werden können, um ihre Kinder nicht über Gebühr zu gefährden. Dazu brauchen sie eine finanzielle Absicherung in Form einer behördlich verordneten Isolation mit Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber und entsprechenden Ersatzleistungen, vor allem für kleine Arbeitgeber (z.B. vom LVR Soziale Entschädigung). So können Sie vermeiden, dass diese Familien in die Grundsicherung abgleiten, was derzeit vielfach droht.
3. Auch in Familien mit chronisch erkrankten Kindern können nicht alle Eltern ihrem Beruf im Homeoffice nachgehen oder sie arbeiten in systemrelevanten Berufen, die eine Präsenz am Arbeitsplatz erfordern. Die Familien brauchen Gewissheit, ob sich ein Familienmitglied mit Covid-19 infiziert hat, um das betroffene Kind bestmöglich zu schützen. Der Zugang zu Tests (sobald verfügbar auch auf Antikörper) für Familien mit chronisch kranken Kindern muss daher vorrangig durchgeführt werden.
4. Die Eltern schwer chronisch kranker Kinder bekommen ärztlicherseits häufig die Empfehlung, sich mit ihrer Familie zu isolieren. Dabei wissen sie sich derzeit vielfach nicht anders zu helfen, als ihre Jobs zu kündigen, die oft auch systemrelevante Bereiche betreffen. Möglicherweise arbeiten sie auch in Zukunft nicht mehr als Alten- bzw. KrankenpflegerIn oder ErzieherIn und der Personalnotstand in diesen wichtigen Berufsfeldern verstärkt sich zusätzlich.
5. Aufgrund der Vulnerabilität dieser Risikopopulation hätten sowohl eine App zur Nachverfolgung von Kontakten und zum Tracking der Infizierten, sowie der vorrangige Zugang zu Tests den Vorteil, in vielen Fällen Leben retten zu können, indem die Infektionen frühzeitig identifiziert und die Kinder dementsprechend geschützt werden.
Wir bitten Sie als Bundesministerinnen und Bundesminister bzw. Bundestagsabgeordnete, sich an die Seite der betroffenen Familien zu stellen und uns bei diesen Forderungen zu unterstützen. Betroffene Kinder und ihre Familien benötigen jetzt dringend Ihre Unterstützung und ein deutliches Signal der Politik, dass ihre Ängste und Sorgen ernst genommen werden. Wir hoffen daher, dass Sie die oben genannten Lösungsansätze berücksichtigen.
Wir bedanken uns für Ihren Einsatz für Familien mit chronisch erkrankten Kindern und sehen Ihrer Antwort zuversichtlich entgegen. Bitte bleiben Sie alle gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Hermine Nock, Geschäftsführerin BVHK
Unterzeichner:
> Bundesverband Herzkranke Kinder e.V.
> Kompetenznetz angeborener Herzfehler
> BAG Selbsthilfe
> Kindernetzwerk e.V.
Weitere Unterstützer:
> Kinderneurologie-Hilfe Münster e.V.
> Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V.