Die Junge Selbsthilfe im BundestagAnderen Mut machen, wahrnehmbar und politisch zu sein
Mitglieder der Jungen Selbsthilfe des Kindernetzwerks und weitere Interessierte hatten im November 2023 die Gelegenheit, eine Plenardebatte bzw. Regierungsbefragung im Bundestag live zu erleben, die Reichstagskuppel zu besichtigen und anschließend ein Gespräch mit den inklusionspolitischen Sprecher:innen zu führen. Warum ist es dem Kindernetzwerk so wichtig, dass junge Menschen mit Politiker:innen sprechen?
Wir nehmen innerhalb unserer Jungen Selbsthilfe deutlich wahr, dass der Wunsch sich politisch einzubringen sehr groß ist.Deswegen hat das Kindernetzwerk das Projekt „Junge Selbsthilfe trifft Politik“ gestartet, das nicht nur die Teilnehmenden stärken soll, um ihre Stimme gegenüber politischen Entscheider:innen horbar zu machen, sondern darüber hinaus einen breiten jungen Personenkreis als Multiplikator:innen erreichen soll.
Ein Highlight des Projektes war der Besuch unserer Jungen Selbsthilfe im Bundestag im November 2023.
Die jungen Menschen, hatten viel aus ihrem Lebens- und Versorgungsalltag zu berichten und konnten sich mit dieser Offenheit für all die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsene einsetzen, die aufgrund chronischen Erkrankungen und Behinderungen täglich auf gesellschaftliche Barrieren und Herausforderungen stoßen.
Bei der Regierungsbefragung erlebte die Gruppe zunächst Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Im Anschluss führte die Co-Geschäftsführerin des Kindernetzwerk, Kathrin Jackel-Neusser, Interviews mit den jungen Mitgliedern der Selbsthilfeorganisationen auf der Reichstagskuppel und alle hatten die Gelegenheit, sich auszutauschen. Lisa Warmo, Assistentin der Jungen Selbsthilfe im Kindernetzwerk e.V., Tobias Bansen und Hogne-Holm Heyer von der KKH Krankenkasse waren ebenfalls mit dabei und halfen bei der Organisation und Umsetzung des Besuches im Bundestag.
Der Höhepunkt des Besuches im Bundestag war das politische Gespräch mit den inklusionspolitischen Sprecher:innen. Die Gruppe konnte über zwei Stunden lang den Politiker:innen von ihren Erfahrungen berichten – das waren sehr individuelle, berührende und zugleich fachkundige Vorträge!
Den Besuch hatte freundlicherweise Bundestagsageordnete Corinna Rüffer, die nicht nur behindertenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, sondern auch Obfrau des Petitionsausschusses, ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Petitionsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss ist. Entsprechend fachkundig nahm die Abgeordnete die Forderungen und die Petition der jungen Menschen entgegen und reagierte auf diese.
Auch der Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung der SPD-Bundestagsfraktion, Takis Mehmet Ali, nahm aufmerksam an dem Gespräch mit der Jungen Selbsthilfe teil. Der Abgeordnete ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie im Petitionsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Finanzausschuss.
Ein weiterer Abgeordneter, der sich Zeit für das Gespräch mit den jungen Betroffenen nahm, war Wilfried Oellers. Neben seiner Arbeit als behindertenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist er auch noch als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie im Rechtsausschuss tätig.
Mit 16 Jahren die jüngste Teilnehmerin, startete Hannah Maria Bühler ihren Bericht zu ihrer seltenen Erkrankung und ging dabei unter anderem auf ihre Forderungen nach mehr Forschung an seltenen Erkrankungen, ein erweitertes Kinderkrankengeld und die Anpassung der Pflegestufe an Kinder und Jugendliche ein.
Eine weitere Teilnehmerin war Lilith Fendt, welche in ihrem Vortrag einen leichteren Zugang zu Hilfsmitteln und Verbrauchsmaterial forderte. Sie betonte dabei, dass sich die Hilfsmittelversorgung nicht an der Wirtschaftlichkeit, sondern an der medizinischen Notwendigkeit orientieren müsse. Weiterhin forderte sie eine bessere Kommunikation zwischen Krankenkassen, Ärzt:innen und Hilfsmittelversorgenden sowie einen Ausbau der Barrierefreiheit in Arztpraxen.
Auf Forderungen aus dem Bereich Bildung ging Sarah Brandsmeier ein, die in der Deutschen Ehlers-Danlos Initiative e.V. als Landesleitung für Sachsen aktiv ist. In ihrem Vortag machte sie sich für mehr Inklusion in Schule, Ausbildung, Universität und Arbeitsmarkt stark und forderte die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen durch die Bereitstellung von finanziellen und personellen Ressourcen.
Ein weiteres Thema, das gerade den jungen Betroffenen wichtig ist, ist die Forderung nach einem inklusiven Arbeitsmarkt. Hierzu sprachen Leonie Welsch und Johannes Steinmetz und berichteten aus eigenen Erfahrungen. Leonie Welsch bringt sich aktiv im Vorstand der Elterninitiative Apert-Syndrom und verwandte Fehlbildungen e.V. ein. Sie forderte im Gespräch mit den inklusionspolitischen Sprecher:innen die Schaffung eines besseren Übergangs von der Schule ins Berufsleben. Außerdem fordert sie eine bedarfsgerechte Inklusion von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen als potenzielle Arbeitskräfte, auch auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Auf die Situation in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ging Johannes Steinmetz in seinem Vortrag ein. Die Werkstätten stünden unter großen wirtschaftlichen Druck, da sie sich zum Teil selbst tragen müssen. Aus seiner Sicht als junger Betroffener bestehe Handlungsbedarf in der Weiterentwicklung von Werkstätten, um mehr Kreativität zu ermöglichen und in der Kommunikation von Begleiter:innen der Werkstätten mit den Ansprechpartner:innen der Firmen.
Auch Raphael Wittlich, der im Juvemus e.V. aktiv ist, nahm an diesem Gespräch teil und setzt sich für eine bessere Versorgungssituation für ADHS-Betroffene ein. Er berichtete aus eigenen Erfahrungen über lange Wartezeiten, zu wenig Ansprechpartner:innen für Ratsuchende, fehlende Aufklärung über die medizinischen Hintergründe und damit einhergehend auch fehlendes Verständnis für Betroffene.
Als letzter Teilnehmer sprach André Neutag, Jugendbeauftragter im Landesvorstand Sachsen der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V., über die Themen Bürokratiereduzierung sowie Barrierefreiheit und Wohnen. Er forderte unter anderem eine bessere Berücksichtigung von Wahrnehmungsstörungen wie Autismus in Bezug auf Barrierefreiheit und mehr Alternativen zu Wohnheimen (besondere Wohnformen) für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen.
Unser Fazit des Tages?
Junge Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderung haben viele zusätzliche Probleme, die zu den allgemeinen Herausforderungen Heranwachsender hinzukommen. Gleichzeitig haben diese jungen Menschen aber viel Stärke entwickelt, um mit ihren Beeinträchtigungen und den damit verbundenen Herausforderungen klarzukommen. Oft sind es daher gerade solche jungen Menschen, die der Gesellschaft viel zurückgeben können, die zeigen können, wie man große Herausforderungen ganz individuell meistern kann. Wir haben großen Respekt vor euch!
Auch die Politiker:innen waren sichtlich berührt und interessiert, baten nach dem Gespräch um Vernetzung und Aufrechterhaltung der Kontakte. Wir danken Frau Rüffer und ihrem Team sowie der KKH Krankenkasse für die großzügige Förderung, durch die das möglich wurde! Es hat sich gelohnt und wir freuen uns nun, dass demnächst ein Film den Besuch im Bundestag umfassend wiedergeben wird. Allen herzlichen Dank für den guten Austausch!
Lisa Warmo/Kathrin Jackel-Neusser
Ihr wollt künftig bei unserer Jungen Selbsthilfe dabei sein und euch politisch einbringen? Super, bitte meldet euch bei uns!
Mehr zur Jungen Selbsthilfe gibt es auf unserer Themenseite …
https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/JungeSelbsthilfe/
Das Projekt wurde gefördert von: