Intensivmedizinische Versorgung muss diskriminierungsfrei seinGesetzesentwurf zur Triage-Regelung
Auch vier Monate nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ringt die Bundesregierung weiter um eine Triage-Regelung. Zum neuen Gesetzentwurf der Triage erklärt Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte:
"Die bislang bekanntgewordenen Regelungsvorschläge für Triage-Situationen des Bundesgesundheitsministeriums sind menschenrechtlich bedenklich."
Auch wenn die menschenrechtswidrige Ex-Post-Triage doch nicht kommen solle, gelte es dennoch, auch die anderen Problempunkte im bisherigen Gesetzesentwurfes zu bedenken. Aktuell wäre das Gesetz nicht geeignet, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung bei der Verteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen hinreichend wirksam zu verhindern, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16.12.2021 (1 BvR 1541/20) formuliert hat.
So ist nach bisherigem Stand vorgesehen dass nach der 'aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit' entschieden werden soll, wer behandelt werden soll und wer nicht. Auf diesem Weg könnte das Kriterium der Überlebenswahrscheinlichkeit zu unbewusster Benachteiligung von Menschen mit Behinderung führen, wenn eine behinderte und eine nicht-behinderte Person um dasselbe Intensivbett konkurrieren. Dies sei mit der im Grundgesetz festgelegten Wahrung der menschlichen Würde unvereinbar.
Das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem Urteil vom 15. Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz (1 BvR 357/05): Selbst das sichere Wissen um den Tod bestimmter Menschen in sehr naher Zukunft erlaubt es nicht, das Leben anderer, die längere Lebensaussichten haben, zu priorisieren.
Zudem seien auch die Rahmenbedingungen für ein mögliches Triage-Verfahren bisher zu unklar: Wichtig wäre es demnach Fachpersonal mit praktischer Erfahrung im Bereich Beeinträchtigung und Behinderungen und Geriatrie hinzuzuziehen. Außerdem werden auch die vorgesehenen allgemeinen Dokumentationspflichten der besonderen Situation der Triage keinesfalls gerecht. Und auch die Frage nach einer externen Prüfinstanz sei nicht geklärt.