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Ein bedeutender Schritt für Teilhabe und InklusionReferentenentwurf zum Gesetz zur Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (IKJHG)

Am 8. Oktober 2024 fand im Bundesfamilienministerium eine entscheidende Anhörung zum Referentenentwurf des IKJHG statt. Dabei setzte sich das Kindernetzwerk e.V. aktiv für die Rechte von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen ein. Die eingebrachten Positionen basieren auf unserer umfangreichen Stellungnahme, die in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des ThinkTanks „Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz aus Perspektive der Selbsthilfe“ erarbeitet wurde.

Was sieht der Referentenentwurf vor?

Der Entwurf beabsichtigt, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) und der Eingliederungshilfe (SGB IX) zu beenden. Künftig soll es eine zentrale Anlaufstelle für alle jungen Menschen mit Behinderungen geben, was den bürokratischen Aufwand verringert und eine schnellere, gezielte Hilfe ermöglicht.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die ganzheitliche Förderung: Die Unterstützung für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen wird nicht nur auf ihre Beeinträchtigungen ausgerichtet, sondern bezieht auch ihre persönliche Entwicklung, Erziehung und Teilhabe mit ein. So soll sichergestellt werden, dass sie optimal gefördert werden und selbstbestimmt aufwachsen können.

Stimmen aus der Anhörung: Wichtige Beiträge aus der Selbsthilfe

Das Kindernetzwerk e.V. war bei der Anhörung am 8. Oktober aktiv vertreten. Kathrin Jackel-Neusser, Co-Geschäftsführerin des Kindernetzwerks, und Lilith Fendt, Vertreterin der Jungen Selbsthilfe im Kindernetzwerk, brachten wertvolle Perspektiven  und Positionen aus der Stellungnahme des Kindernetzwerks in die Diskussion ein.

Kathrin Jackel-Neusser erklärte:
„Natürlich ist eine Reform immer ein Kompromiss, aber dieser Referentenentwurf ist ein entscheidender Schritt nach vorne. Es ist nun an der Zeit, dass alle Beteiligten gemeinsam daran arbeiten, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen und für eine gute Inklusion junger Menschen mit Behinderungen zu sorgen. Denn diese warten dringend auf die Reform der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe.“

Die Teilnahme von jungen Menschen mit Behinderungen war ein besonderes Highlight der Anhörung. Lilith Fendt, als junge Selbstvertreterin, brachte die Perspektive der Betroffenen direkt ein:
„Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Eingliederungshilfe für alle jungen Menschen mit Behinderungen zusammengeführt wird. Wir brauchen Unterstützung – aber nicht immer und überall pädagogische Hilfe. Wichtig ist, dass wir lernen dürfen, eigene Entscheidungen zu treffen. Wir möchten wie alle anderen jungen Menschen auch mal Fehler machen und nicht ständig unter der Aufsicht unserer Eltern stehen, wenn wir Freunde besuchen.“

Lilith betonte zudem die Bedeutung von Freizeit- und Urlaubsassistenz, die für viele junge Menschen mit Behinderungen entscheidend ist:
„Freizeit- und Urlaubsassistenz sind wichtig, um auch unabhängig von Eltern und Geschwistern am Leben teilhaben zu können. Manche Hilfsmittel können nicht von jedem selbst bedient werden, und das muss im Blick behalten werden.“

„Kein Kind darf von seinen Eltern getrennt werden“ – Menschenrecht und UN-Behindertenrechtskonvention

Auch Kerstin Blochberger, die für den Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern (bbe) sprach, betonte die Bedeutung der Familienzusammenführung im Rahmen der Inklusion:
„Kein Kind darf laut UN-Behindertenrechtskonvention aufgrund einer Behinderung von seinen Eltern getrennt werden – weder aufgrund einer eigenen Behinderung noch aufgrund der Behinderung eines Elternteils. Dieses Menschenrecht besteht seit 15 Jahren und muss jetzt auch durch die inklusive Kinder- und Jugendhilfe anerkannt und mit Leben gefüllt werden.“
Ihre Aussage unterstreicht, wie essenziell der Schutz von Familien im Rahmen der Inklusion ist.

Beteiligungsprozess und Ausblick

Der Referentenentwurf des IKJHG basiert auf einem umfassenden Beteiligungsprozess, in dem über 4000 Akteurinnen und Akteure aus Kommunen, Fachverbänden, Wissenschaft und nicht zuletzt der Selbsthilfe aktiv mitgewirkt haben. Das Kindernetzwerk e.V. war hierbei intensiv involviert und hat sich für die Rechte und Bedürfnisse junger Menschen mit und ohne Behinderungen stark gemacht.

Kathrin Jackel-Neusser bedankte sich für den intensiven Beteiligungsprozess:
„Wir danken dem Ministerium, insbesondere Frau Dr. Schmid-Obkirchner, für den umfangreichen und partizipativen Beteiligungsprozess, der jungen Menschen mit Behinderungen, ihren Angehörigen und den zentralen Verbänden eine starke Stimme gegeben hat.“

Die Diskussionen und Abstimmungen in den Ländern und im Bundesrat werden nun darüber entscheiden, wie und wann das Gesetz verabschiedet wird. Es besteht Hoffnung, dass es bald Realität wird und damit die Inklusion junger Menschen mit Behinderungen in Deutschland nachhaltig verbessert.

Mehr Informationen zur Stellungnahme des Kindernetzwerks und zu unserem ThinkTank finden Sie hier:

Stellungnahme des Kindernetzwerks zum IKJHG
ThinkTank zur Ausgestaltung der Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe

Fazit: Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber noch viel Arbeit

Auch wenn das IKJHG bisher nur als Referentenentwurf vorliegt, zeigt es bereits einen klaren Weg hin zu einem inklusiven Kinder- und Jugendhilfesystem, das den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht wird. Jetzt gilt es, diesen Weg weiter zu gehen, um die Lebensbedingungen und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Deutschland entscheidend zu verbessern.

 

(v.l.n.r.) Lukas H. von der Selbstvertretungsgruppe junger Menschen mit Beeinträchtigung (jumemb) mit seiner Mutter/Assistenz, Dr. Heike Schmid-Obkirchner (Leiterin des Referats Rechtsfragen der Kinder und Jugendhilfe, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Kerstin Blochberger (bbe e. V. – Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern), Lilith Fendt (Vertreterin des Kindernetzwerk e.V. / Junge Selbsthilfe) mit Mutter & Assistenz Bettina

Kerstin Blochberger (bbe e. V. – Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern)