Welche Hilfen gibt es?Teilhabe und Berufseinstieg
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> Hast Du Fragen rund um die Teilhabe? Dann schreib Elisa eine E-Mail an jungeerwachsene@kindernetzwerk.de
Berufseinstieg und Teilhabe: Große Themen, die besonders für Betroffene sehr wichtig, aber oft ganz schwer zu verstehen sind. Deswegen gibt es die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Sie unterstützt und berät Menschen mit Behinderungen, von Behinderung bedrohte Menschen und deren Angehörige. Die Beratung arbeitet unentgeltlich bundesweit und beantwortet Fragen zur Rehabilitation und Teilhabe. Das Besondere: Die EUTB arbeitet in vielen Beratungsstellen nach dem Prinzip des "Peer Counseling", d.h. die BeraterInnen leben selbst mit einer Behinderung.
Auch Elisa Bauch arbeitet in solch einer unabhängigen Teilhabeberatungstelle. Beim Landesverband "Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben" in Jena gibt sie Ratsuchenden Tipps. Als Profi und Betroffene kennt sie sich also mit dem Thema gut aus. Das knw hat deswegen mal nachgefragt, was das eigentlich genau ist ...
Was umfasst die Teilhabeberatung (EUTB) genau?
Die Teilhabeberatung ist ein großes Feld. Sie umfasst z. B. Orientierungshilfe im Dschungel der Rehabilitations- und Teilhabeleistungen, bietet Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen, ist aber auch Ansprechpartner, wenn es um Krisensituationen oder um den Umgang mit der eigenen Behinderung geht.
Schon allein der Begriff "Teilhabe" ist sehr umfangreich, denn er kann den ganzen Alltag umfassen: Schule, Beruf, Wohnen, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Die Leute, die zu mir in die Beratung kommen, brauchen in ganz unterschiedlichen Bereichen Unterstützung. Vergleichsweise häufig suchen Eltern Rat, deren Kindern mit Behinderung die Schule beenden und nun über Alternativen zur Behindertenwerkstatt nachdenken.
Welche Alternativen gibt es denn?
Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten. Für Menschen, deren "Leistungsvermögen" zwischen dem allgemeinen Arbeitsmarkt und der Werkstatt für Menschen mit Behinderung liegt, gibt es zum Beispiel die "Unterstützte Beschäftigung". Das ist eine Maßnahme der Agentur für Arbeit mit dem Ziel einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Unter dem Motto "Erst platzieren, dann qualifizieren" werden die teilnehmenden Menschen mit Behinderung über einen Zeitraum von 2 Jahren intensiv begleitet, um einen Arbeitsplatz zu finden, der genau zu ihren Fähigkeiten passt.
Kommt die unterstützte Beschäftigung nicht infrage, besteht z.B. die Möglichkeit das Eingangsverfahren sowie den Berufsbildungsbereich einer Behindertenwerkstatt ebenfalls in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes zu absolvieren. Das geht nur in Zusammenhang mit dem sogenannten "Persönlichen Budget" und nennt sich dann: „Persönliches Budget für das Eingangsverfahren und den ambulanten Berufsbildungsbereich".
Was genau ist das persönliche Budget?
Das persönliche Budget ist eine Geldleistung, die man bar auf die Hand bekommt. Allerdings ist das keine Extra-Leistung, mit der man sich z.B. eine neue Spielekonsole kaufen kann. Das Persönliche Budget ist lediglich eine andere Form der Leistungserbringung. Normalerweise würde der Leistungserbringer, etwa eine Behindertenwerkstatt, das Geld erhalten und damit u. a. den Berufsbildungsbereich finanzieren. Nutzt man stattdessen aber das Persönliche Budget, erhält man selbst das Geld und kann sich damit die benötigte Unterstützung selbst einkaufen: AntragstellerInnen im Berufsbildungsbereich könnten damit eine Ausbildung in einem Betrieb auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt antreten. Es gibt aber noch viel mehr Leistungen, die als Persönliches Budget erbracht werden können.
Ein großes Thema, zu dem ich in diesem Zusammenhang häufig berate, ist die persönliche Assistenz. Mit dem Persönlichen Budget können sogenannte Assistenzkräfte beschäftigt werden, die den Menschen mit Behinderung in den Dingen unterstützt, wo er Bedarf hat. Die persönliche Assistenz ist da, wenn jemand z. B. morgens eine halbe Stunde duschen möchte, mittags Lust auf einen Döner hat und diesen nicht selbstständig halten kann oder abends in einem Club auf die Toilette muss. All das wäre mit einem Pflegedienst undenkbar.
Persönliche Assistenz und Mensch mit Behinderung finden über zwei Wege zusammen: Entweder stellt der Budgetnehmer selbst seine Assistenten ein, ist damit Arbeitgeber und hat quasi einen kleinen eigenen Betrieb. Oder man wendet sich an eine Assistenzagentur und findet dort seine Assistenzkräfte. Diese Vereine unterstützen zum Beispiel auch, wenn man das Arbeitgebermodell gewählt hat, aber mit Abrechnungsdingen überfordert ist.
Die Höhe des Persönlichen Budgets ist übrigens immer unterschiedlich und richtet sich nach dem individuellen Unterstützungsbedarf.
Klingt erst einmal gut. Was sind denn die Nachteile des persönlichen Budgets?
Leider ist eine Beantragung zeitaufwendig und erfordert manchmal starke Nerven und Durchhaltevermögen. Denn die Behörden stehen dem Persönlichen Budget oft nicht sehr offen gegenüber, OBWOHL ein Rechtanspruch besteht. Problematisch kann auch sein, dass man zunächst 6 Monate an die Leistungsform gebunden ist. Wenn man sich das alles anders vorgestellt hat, kann man erst nach einem halben Jahr in seine frühere Form der Leistungserbringung zurückwechseln.
Und was sind die Vorteile?
Wenn man sich durch die ganze Bürokratie nicht abschrecken lässt, dann kann das Persönliche Budget zu mehr Selbstbestimmung verhelfen, das ist ein ganz großer Vorteil. Gerade wenn es um 24 Stunden-Assistenzen geht, gewinnt man mehr Unabhängigkeit: Die Budgetnehmer entscheiden selbst, wer sie wann und wobei unterstützt.
Du arbeitest ja in der Beratung: Was muss im Bereich der Teilhabe dringend verbessert werden?
Auf jeden Fall müssen die Stellen, bei denen Menschen mit Behinderung Leistungen beantragen, sensibilisiert werden, sowohl zum direkten Umgang mit diesen Personen als auch vom Denken her: weg vom Fürsorgegedanken, hin zu mehr Selbstbestimmung. Das ist allerdings eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft! Außerdem müssen ausreichend geeignete Alternativen zu institutionellen Sonderwegen wie Behindertenwerkstatt oder Wohnheim vorhanden sein.
Du hast gesagt, es kommen vor allem Eltern – wünscht du dir mehr Interesse von den Jugendlichen?
Ich fände es toll, wenn noch mehr junge Erwachsene aktiv werden und ihre Dinge selbst in die Hand nehmen. Gleichzeitig finde ich, dass es auch nicht einfach erwartet werden kann: Die Jugendlichen müssen dazu befähigt werden, vor allem mit Behinderung und chronischen Erkrankungen selbst Verantwortung zu übernehmen. Ich denke der Arbeitskreis Jugendliche und junge Erwachsene des Kindernetzwerks kann hierzu einen Beitrag leisten.
Weitere Infos zum Thema:
> Eine unabhängige Beratungsstelle in deiner Nähe findest du unter: https://www.teilhabeberatung.de/beratung/beratungsangebote-der-eutb
> Außerdem gibt es eine kostenlose App zur Teilhabeberatung, dort kannst du z. B. auch bequem einen Termin in einer Beratungsstelle vereinbaren: https://www.teilhabeberatung.de/artikel/ueber-die-app-teilhabeberatung
> Weitere Infos zum Persönlichen Budget und zur Assistenz findest du unter:
> teilhabeberatung.de
> einfach-teilhaben.de
> assistenz.de